Es braucht einen Stein als Werkstoff. Es braucht einen Entwurf, der die gewünschte Form festlegt, also das Ziel vorgibt. Und es braucht eine Werkstatt, in der es auch mal laut und staubig zugehen darf. Das sind die Grundvoraussetzungen, wenn der Passauer Bildhauer Christian Zeitler einen neuen Brunnen schafft. Um zu einem ansprechenden Ergebnis zu kommen, muss er darüber hinaus Erfahrung, Hartnäckigkeit und zugleich Feingefühl einbringen. Ähnliche Prämissen gelten für demokratische Prozesse – und auch für eine Schule.
Da sind die Jugendlichen, die mitgestalten wollen und sich für ihr sprachlich-humanistisches Gymnasium Leopoldinum einen Trinkbrunnen wünschen. Und da sind Schulleitung und Stadtverwaltung, die um die Komplexitäten bei der Umsetzung wissen und mit Blick auf die Kosten erstmal fragen „braucht`s das?“. Am Ende haben sich das jahrelange Ringen um den Brunnen und das technische Tüfteln um den behördlich geforderten Trinkwasserschutz gelohnt.
Der Brunnen ist ein Schmuckstück geworden, der sich in den lichtdurchfluteten Gang der 400 Jahre alten Schule harmonisch einfügt, als wäre er schon immer da gewesen. Unter dem Applaus der ganzen Schülermitverwaltung haben die Schülersprecher Felix Audebert und Mathilda Merckenschlager, Bildhauer Christian Zeitler, Schulleiter Markus Birner und Oberbürgermeister Jürgen Dupper den steinernen Wasserspender gestern Früh in Betrieb genommen.
Dabei setzte Christian Zeitler als I-Tüpfelchen die zentrale Rosette oben ein. Es gab Sekt und Häppchen, kurze Reden und Grußworte. Ein rotes Band wurde durchgeschnitten, und dann wurden am Brunnen freudig die ersten Trinkgläser und -flaschen gefüllt – personalisierte Leo-Flaschen können ab sofort bestellt werden. Am Ende ließen die Schülersprecher Gerda Hahne und Timon Nagel sogar noch goldene Konfetti regnen. Auf dass der Brunnen für die nächsten 400 Jahre den Durst der Schüler stille, hatte sich zuvor Felix Audebert gewünscht.
Inspiriert wurde der zeitlose, neue Brunnen von dem alten, funktionsuntauglichen Leo-Brunnen nur ein paar Meter weiter ums Eck, an dessen Proportionen und Rohstoff sich Zeitler orientierte, sowie von einem Brunnenfoto aus Athen, das Markus Birner dem Künstler zukommen ließ. Aus einem Kalksteinblock arbeitete dieser ein rechteckiges Brunnenbecken heraus. Gerade Linien dominieren. Rauhe und polierte Flächen wechseln sich ab. Das Wasser kommt – per Sensor – aus einem schlichten schwarzen Hahn. Bei aller Klarheit hat der Brunnen aber auch etwas Leichtes und Verspieltes: Dafür sorgen zwei florale Elemente an den Ecken und die Rosette oben in der Mitte. Finanziert wurden Brunnen, Hahn und Installation hälftig von den Freunden und Förderern des Gymnasiums Leopoldinum und der Stadt Passau. Und auch wenn es einige Zeit dauerte, bis die Entscheidung pro Brunnen grundsätzlich gefallen war: Darüber, wer ihn erschaffen sollte, war man sich schnell einig. Christoph Haas vom Elternbeirat hatte Bildhauer Christian Zeitler empfohlen. Der sagte gerne zu: „Mir gefällt die Atmosphäre im Leo. Es ist die älteste Schule Passaus. Der humanistische Geist ist noch immer zu spüren.“
Reizvoll gestaltet ist auch das direkte Umfeld des Brunnens: Hier hat Kunstpädagogin Dr. Claudia Schmalhofer eine spannende Ausstellung kuratiert. Bewegte Zirkus-Motive und phantastische Tiere sind zu sehen, kubistische Formen, ruhige Szenen vom Künstler mit Modell, farbenfrohe Werke und teils düstere Hell-Dunkel-Kompositionen. Alle sind sie von dem berühmten Maler Pablo Picasso (1881 bis 1973) inspiriert.
Nach dem Besuch der Picasso-Ausstellung im Museum Moderner Kunst 2023 haben sich die Schüler aller Jahrgangsstufen intensiv mit seinem Werk beschäftigt. „Picasso durch unsere Augen und Hände und durch uns hindurch“ lautete der Auftrag. Die Schülerinnen und Schüler haben ihn mit Bravour erfüllt.
Simone Kuhnt