„Erfurt to go“ – Studienfahrt der evangelischen Schülerinnen und Schüler der 8. und 9. Jgst. nach Erfurt

Die 14 SchülerInnen der Evangelisch-Gruppen der 8. und 9. Jgst. waren zusammen mit ihrer Religionslehrerin Antje Spielberger und Martin Scheday als Begleitlehrkraft vom 1. bis 3. Mai in Erfurt unterwegs: Luther „to go“ – Judentum „to go“ – Christsein in der DDR „to go“ – all das in 48 Stunden zu sehen, mit allen Sinnen zu begreifen und zu erlaufen, war sehr gewinnbringend, aber nicht ganz „unanstrengend“!

„Judentum to go“

Erschreckend, wie oft Jüdinnen und Juden verfolgt und diskriminiert wurden: immer wieder wurde alles zerstört – und immer wieder haben Jüdinnen und Juden alles wiederaufgebaut: angefangen bei der Alten Synagoge, die zweckentfremdet wurde, über den Alten jüdischen Friedhof, der wie der neue, noch aktiv genutzte jüdischen Friedhof immer wieder geschändet wurde, über die 1884 fertiggestellte und in der Reichspogromnacht von den Nazis niedergebrannte Große Synagoge bis zu Brandanschlägen auf die Neue Synagoge im Jahr 2000 und zuletzt im November 2023.

Die Spuren der Alten Synagoge, die seit kurzem zum UNESCO Weltkulturerbe gehört, reichen zurück bis ins 11. Jh.. Nach Pogromen im Mittelalter geriet sie völlig in Vergessenheit und wurde erst 1990 wiederentdeckt, ebenso wie 1998 der „Erfurter Schatz” mit mehr als 3000 Schmuckstücken  – Highlight ist der kunstvoll gestaltete „Hochzeitsring“. Gleich zwei Mikwen (rituelle Tauchbäder für Juden) gab’s zu sehen: die mittelalterliche und die in der Kleinen Synagoge, in die 520 Liter „lebendiges“ Wasser passten. Die Kleine Synagoge wurde nur für 44 Jahre (1840-1884) genutzt und danach von der Stadt gekauft, wodurch sie in der NS-Zeit nicht beschädigt wurde. Fragen über die kleine Synagoge konnten an die „Sag mal…“-Fragewand geschrieben werden.

Als wir die Dauerausstellung am Gedenkort „Topf & Söhne – die Ofenbauer von Auschwitz“ gesehen haben, waren ich entsetzt und schockiert, wie Menschen so handeln können, wie z.B. ein Mitarbeiter, der fragte „Kinder, wen verbrennen wir als nächstes?“. Die dortige Sonderausstellung “Miriams Tagebuch” gab anhand der Tagebuch-Einträge einen Einblick in den Alltag eines normalen Mädchens und nicht eben nur einer “Jüdin”, die ihre Kindheit und Jugend in Erfurt verbracht hatte. Und dennoch wurde sie in der NS-Zeit anders behandelt, nur weil sie Jüdin war. Auch die Kinder wurden nicht verschont! Miriam konnte nach Palästina fliehen, musste aber ihre Eltern zurücklassen.

Beim Besuch der Neuen Synagoge , die 1952 auf dem Grundstück der Großen Synagoge errichtet wurde, mussten sich die Jungen eine Kipa aufsetzen und dann ging es auch schon los. Eine ältere Dame erzählte aus ihrem eigenen Leben und dem ihres Vaters als Juden in Zeiten des Zweiten Weltkriegs, der DDR und der Gegenwart. Zentraler Punkt der Schüler-Fragen war der Antisemitismus, sodass die Schülergruppe die Synagoge zwar nachdenklich, aber trotzdem begeistert verließ.

Der jüdische Glaube sagt, dass die Toten außerhalb ihrer Wohngebiete begraben werden sollen, weshalb leider aus zeitlichen Gründen der einzige noch vorhandene und nach wie vor genutzte „Neue Jüdische Friedhof“ nicht besucht werden konnte.

„Luther to go“

Luthers Spuren in Erfurt beginnen am Collegium Maius, der Universität von Erfurt, an der er 1501 mit dem Jurastudium begonnen hatte. Danach ging’s zum Augustinerkloster, in das er 1505 eingetreten war. Eine Blume im Glasfenster der Augustinerkirche war die Inspiration für die spätere “Lutherrose”. Die „Lutherzelle“ gab einen sehr anschaulichen Einblick in Luthers sehr karges und hartes Leben als Mönch. Weiter ging’s zur Michaeliskirche, in der Luther gepredigt hatte.

„Christsein in der DDR to go“

Am 2. Mai 2024 waren wir dabei beim ökumenischen Friedensgebet in der Kirche St. Lorenz, wo sich seit 1978 immer donnerstags um 17 Uhr Menschen treffen, um unter dem biblischen Motto “Schwerter zu Pflugscharen” für Abrüstung und die Bewahrung der Schöpfung zu beten. 1989 gingen aus diesen Friedensgebeten die gewaltfreien Demonstrationen hervor, die zur „Friedlichen Revolution“ und letztendlich zur Wiedervereinigung Deutschlands führten.

Orte, an denen sich u.a. evangelische Widerstandsgruppen zu DDR-Zeiten heimlich getroffen hatten, standen ebenso auf dem Programm der Studienfahrt wie der Gedenkort „Andreasstraße“, wo sich 1952 – 1989 die Bezirksverwaltung für Staatssicherheit und  das Untersuchungsgefängnis für Dissidenten befand. Erschütternd wirkten die im Originalzustand erhaltenen Zellen der Gefangenen, die sich heimlich durch Klopfen an der Wand oder Gespräche durch die Abwasserkanäle verständigten, weil Kommunikation untereinander verboten war. Am 04.12.1989 wurde die ehemalige Stasizentrale besetzt, um die Akten vor der Vernichtung bewahren. Heute findet sich dort ein moderner, multimedial gestalteter Gedenkort.

„KIKA to go“

Auch wenn sie nicht zu dem eigentlichen Themenbereich der Fahrt passen, sind die KIKA-Figuren eine schöne Sehenswürdigkeit in Erfurt und einen Besuch wert. Die Figuren sind anlässlich des Jubiläums des Kinder-TV-Senders KIKA 2007 in Erfurt aufgestellt worden, wo sich auch der Sitz des Senders befindet. Insgesamt gibt es auf dem vor allem für Kinder gestalteten Rundweg 12 Figuren zu sehen. Einige, die auf unserem Weg lagen, haben wir gesehen: „Bernd, das Brot“, die Tigerente, das Kikaninchen und Frau Elster und Herr Fuchs.

„Erfurt to go“ – eine „einmalige“, sehr spannende und lehrreiche Reise! Wir empfehlen, selbst mal nach Erfurt zu fahren und es sich anzusehen, um unsere Begeisterung noch besser zu verstehen.

Spi